Am Beispiel des Freiburger Münsters gibt Daniel Parello zunächst einen Überblick über die Arbeitsweise von Fritz Geiges (1853–1935), der in jahrzehntelanger Restaurierungstätigkeit die Münsterverglasung instand gesetzt und ihr – so wird man es bezeichnen dürfen – seinen ganz persönlichen Stempel aufgedrückt hat. Wie sehr man sich deshalb in Acht nehmen muss, bei der Beschäftigung mit den Münsterfenstern nicht "einer sehr persönlich gefärbten Interpretation des Restaurators aufzusitzen" (S. 65), erläutert Parello am Märtyrerfenster und am Thron-Salomonis-Fenster des Langhauses. Sein drittes Fallbeispiel sind die Scheiben der Steinmeyer-Stiftung von 1494 (Karlsruhe, Badisches Landesmuseum), die schon in den 1870er-Jahren, vor dem Wirken Geiges', aus dem Hochchor des Münsters in den Besitz der Werkstatt Helmle & Merzweiler übergegangen waren. Dort wurden sie vermutlich für die Veräußerung auf dem Kunstmarkt ihrer Wappen beraubt und mit einer anderen alten Inschrift versehen – in absichtlicher Verschleierung ihrer Herkunft aus Freiburg. Mit diesem Gaunerstück, das Daniel Parello ans Licht gebracht hat, war es Helme & Merzweiler gelungen, die Forschung über ein Jahrhundert lang an der Nase herumzuführen.
Daniel Parello, Restaurierung als Interpretation – Risiken der Glasmalereiforschung, in: Rüdiger Fuchs / Michael Oberweis (Hrsg.), Inschriften zwischen Realität und Fiktion. Vom Umgang mit vergangenen Formen und Ideen. Beiträge zur 12. Internationalen Fachtagung für Epigraphik vom 5. bis 8. Mai 2010 in Mainz, Wiesbaden 2021, S. 63–73, ISBN 978-3-95490-372-6, 42,00 EUR
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