← zurück zum Standort Bücken an der Weser, Stiftskirche St. Materniani und Nicolai
Chor, Fenster I (Christusfenster), Gesamtansicht
Gesamtansicht
Erhaltungsschema
Beschreibung
Das zentrale Fenster im dreiteiligen Chorprogramm der Stiftskirche zu Bücken enthält einen einzigartigen Zyklus mit der didaktischen Gegenüberstellung von Szenen der Passion Christi mit solchen der Messliturgie. Dabei sind die Zeile 1, die Felder 5a und 5c sowie die Zeilen 6 und 7 Neuschöpfungen von Michael Welter und Friedrich Baudri von 1863–1865.
Der mittelalterliche Kernbestand enthält in der Mittelbahn die Stationen des Lebens Christi von der Taufe bis zur Auferstehung, begleitet in den Seitenbahnen von weiteren Passionsszenen in Kombination mit liturgischen Handlungen am Altar. Die literarische Grundlage dieses Bildprogramms bilden mittelalterliche Messauslegungen – etwa jene des Rupert von Deutz (1075/80–1129/30), des Honorius Augustodunensis (ca. 1080 bis ca. 1156), des Papstes Innozenz III. (1160/61–1216) und Bertolds von Regensburg (um 1210–1272). Hervorzuheben ist der deutsche Lucidarius: ein in die Volkssprache übertragenes, als Lehrdialog abgefasstes Sammelwerk mit komprimierten Auszügen aus Schriften des Honorius Augustodunensis und des Rupert von Deutz. Auch wenn es sich bei den lateinischen Inschriften im Mittelfenster nicht um Zitate aus dem deutschsprachigen Lucidarius handeln kann, lassen sich dessen Leitgedanken und ihre Reihenfolge in den Darstellungen des Achsenfensters deutlich wiedererkennen. Dabei beziehen sich die Inschriften in den seitlichen Bahnen mit den messliturgischen Darstellungen nicht nur auf die benachbarten Passionsszenen, sondern auch auf die Kernereignisse der Heilsgeschichte in der mittleren Bahn.
Schwerpunkt des Zyklus ist die Lehre der Transsubstantiation, der Realpräsenz von Leib und Blut Christi in der Eucharistie, die zur Zeit der Entstehung der Bückener Chorverglasung zu den wichtigen kirchenpolitischen Diskursen zählte und mutmaßlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit ihres ambitionierten Auftraggebers, des Mindener Bischofs Wedekind von Hoya (1253–1261), zu sehen ist. Als Mindener Domherr übernahm er 1243 die Propstei in Bücken und schlug sich auf die Seite des vom Papst unterstützten Gegenkönigs Wilhelm von Holland. Mit Hilfe des Letztgenannten bestieg Wedekind von Hoya 1253 den Bischofsstuhl in Minden und wurde berühmt für seine expansive landesherrschaftliche Politik.
Die inhaltlich gewichtigere zentrale Fensterbahn wird durch Rundmedaillons mit umlaufenden Inschriftenborten hervorgehoben. Die Szenen der Seitenbahnen sind in Rechteckfeldern inszeniert, unterteilt von überkreuz wechselnden, ebenfalls mit Inschriften besetzten Doppel- und Dreierarkaden.
Der vergleichsweise spröde Figurenstil, die derbe Gesichts- und Faltenzeichnung und das unspezifische Formenvokabular lassen im Fall des Chorachsenfensters an eine Herkunft aus einer konservativen Glasmalereiwerkstatt denken, die in einem Kunstzentrum in der Nähe Bückens um die Mitte des 13. Jahrhunderts tätig gewesen sein dürfte.
Niedersachsen, um 1250.
Einzelscheiben:
2a: Der Diakon singt das Evangelium / Christus beruft die Jünger
2c: Der Diakon singt die Epistel / Johannes der Täufer zeigt auf Christus
3a: Der Priester macht fünf Kreuzzeichen über dem Hl. Opfer / Bestechung des Judas
3c: Der Priester segnet die Opfergaben / Gefangennahme Christi
4a: Der Priester segnet die Opfergaben bei der Wandlung / Geißelung Christi
4c: Grablegung Christi / Priester und Diakon decken den Kelch zu