← zurück zum Standort Bücken an der Weser, Stiftskirche St. Materniani und Nicolai
Chor, Fenster n II (Maternianusfenster), Gesamtansicht
Gesamtansicht
Erhaltungsschema
Beschreibung
Die Felder 1a, 3c und 6a–c sind Neuschöpfungen von Welter/Baudri.
In der mittleren Bahn des nördlichen Chorfensters befinden sich sechs teilweise ergänzte oder gänzlich erneuerte Rundmedaillons mit Szenen aus dem Leben des heiligen Bischofs Maternianus, dessen Teilreliquien im Hochaltar der Bückener Stiftskirche niedergelegt waren. Dieser Heilige – er war zwischen 351 und 370 Bischof von Reims und angeblich der Bruder des Mailänder Bischofs Maternus – erfuhr nur eine lokale Verehrung. Außerhalb Bückens existieren lediglich zwei weitere Darstellungen in der Basilika Saint-Remi zu Reims. Das Maternianusfenster ist die einzige bekannte zyklische Darstellung des Lebens dieses Heiligen. Immerhin stimmt die Bilderzählung mit seiner in den „Acta Sanctorum“ festgehaltenen Vita weitgehend überein. Demnach soll der jugendliche Maternianus nach dem Tod des Reimser Erzbischofs durch ein wunderbares Licht ausgezeichnet und daraufhin zu dessen Nachfolger ernannt worden sein. Er versuchte dieser Würde zu entfliehen, wurde jedoch gefunden und musste gegen seinen Willen den bischöflichen Thron besteigen. Eine der markantesten Episoden seiner Heiligenlegende ist mit einem afrikanischen Magier verbunden, der es wagte, seine Macht mit der des wundertätigen Bischofs zu messen. Im Folgenden steigerte sich die Bedeutung des Hl. Maternianus noch durch sein angebliches Zusammentreffen mit dem Hl. Hilarius, dem verehrten Bischof von Poitiers. Maternianus' Tod und Bestattung werden in den „Acta Sanctorum“ mit keinen besonderen Begebenheiten ausgezeichnet.
In den schmalen Seitenbahnen wird die Maternianuslegende von zwölf kleinen Rundmedaillons mit alttestamentlichen Propheten begleitet, die in die Zwickel der großen Felder geschoben sind. Von unten nach oben und von links nach rechts folgen hier: Abraham (ergänzt), Melchisedek, Aaron, Moses, Joel, Daniel (bis auf die Löwenfiguren zu seinen Füßen ergänzt), Malachias, Ezechiel, David, Salomon, Johannes der Täufer und Jesaja (die beiden letzteren oberhalb der Armierung ergänzt). Die Auswahl und der ikonografische Zusammenhang sind recht ungewöhnlich. Die Analyse der Spruchbänder und Attribute legt die Vermutung nahe, dass die Gestalten die eigens für diesen Kontext ausgewählten alttestamentlichen Prophezeiungen der Ankunft des Messias verbildlichen.
Aufgrund stilistischer Gemeinsamkeiten lassen sich die beiden Chorfenster nord II und süd II zu einer Gruppe verbinden. Die modernen, einfallsreichen Kompositionen, die elegante und souveräne Zeichnung der Figuren und der flüssige Faltenstil lassen auf eine in Niedersachsen beheimatete Werkstatt von hohem künstlerischen Niveau schließen, die mit den aktuellen künstlerischen Erzeugnissen in Westfalen und im Rheinland vertraut war. Ob der Sitz dieser Werkstatt im nahe gelegenen Minden oder eher im unmittelbar dem Bückener Stift übergeordneten Bischofssitz Bremen zu suchen ist, lässt sich heute nicht mehr entscheiden.
Minden oder Bremen, um 1250/60.
Einzelscheiben:
1b: Bischofswahl des Hl. Maternianus
2b: Zweite Berufung des Hl. Maternianus und Bischofsweihe
3b: Bekehrung des afrikanischen Magiers
4b: Krankenheilung durch die Hll. Maternianus und Hilarius
5a: David / Johannes der Täufer