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Langhaus, Fenster n VI (Schürstab-Fenster), Gesamtansicht

Gesamtansicht

                                                           

Erhaltungsschema

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Beschreibung

Ausweislich der Wappenallianzen in der untersten Fensterzeile handelt es sich um eine Gemeinschaftsstiftung von drei Brüdern aus der Familie Schürstab, Leupold V. († 1406), Erhard I. († 1439) und Anton († 1399), den Söhnen des 1379 verstorbenen Leupold III. aus dessen erster Ehe mit Kunigunde Nützel. Deren vierter Sohn Meygolt war bereits früh, 1379, im gleichen Jahr wie der Vater, verstorben und ist demzufolge nicht berücksichtigt.

Das Bildprogramm des Schürstab-Fensters spiegelt auf selten konsequente Weise den Reliquienbesitz der Kirche und die darauf bezogenen Altarpatrozinien der beiden am 24. März 1385 gemeinsam mit dem Hauptaltar – an dem selben unser frawen abent – geweihten Seitenaltäre. Diese beiden Altäre hatten ihren Standort damals vor beziehungsweise an dem kor, also vermutlich noch nicht an den Ostwänden der erst nach 1410 unter Dach gebrachten Seitenschiffe, unmittelbar unterhalb von Schürstab- und Marthafenster, sondern möglicherweise im Westjoch des heutigen Chores, das nachträglich angefügt worden war. Die Altarweihen sind in einem der beiden Stiftungsbücher von St. Martha überliefert: Der betreffende Altar zur linken Hand am Chor wurde zur Ehre der Zwölf Boten, im Besonderen der Hll. Matthias und Petrus, des Hl. Achatius und seiner Gesellschaft der 10.000 Ritter und Märtyrer und in der Ehre der 11.000 Begleiterinnen der Hl. Ursula geweiht (Nürnberg, Stadtarchiv, D 12, Nr. 1).

Oberhalb der Stifterzeile mit den Wappen der Brüder Schürstab (1a–c) erstreckte sich über alle drei Bahnen hinweg die Marter der Hl. Ursula und ihrer 11.000 Gefährtinnen (2a–c), wobei das mittlere Feld seit 1578 durch ein weiteres Schürstab-Wappen ersetzt ist (2b). Es folgt das Martyrium der 10.000 Ritter im Dornengestrüpp (3a und 3c), aus deren Mitte die Hll. Achatius und Hermolaus(?) als die eigentlichen Hauptakteure der Legende durch ihre bevorzugte Darstellung vor der Erscheinung Christi im Wolkenkranz besonders herausgehoben wurden (3b). In der Zeile darüber sieht man links über zwei Felder hinweg die Predigt des in Judäa missionierenden Apostels Matthias (4a/b) und rechts dessen Martyrium in Jerusalem (4c). Die nächste Zeile gilt der Darstellung der Apostelfürsten Petrus und Paulus, die in Begleitung des lateinischen Kirchenvaters Hieroymus und des Hl. Maximin das Vera Icon verehren (5a–c). Die oberste Zeile schließlich zeigt in Anlehnung an das traditionelle Pfingstbild die Versammlung aller zwölf Apostel mit Maria in der Mitte, hier erweitert um die Hll. Martha und Magdalena, die in der Bildtradition sonst nicht berücksichtigt sind, doch ebenfalls zur Urgemeinde gerechnet werden und der Apostelgeschichte zufolge mit den Jüngern am Pfingsttag alle am Ort des Geschehens versammelt waren (Apostelgeschichte 1,13f. und 2,1) (6a–c).

Die stilistischen und zeichentechnischen Charakteristika des Schürstab-Fensters lassen sich mit seltener Eindeutigkeit an einer Reihe von Glasmalereien im Erfurter Domchor und in der Fürstlichen Residenzkapelle im oberpfälzischen Amberg wiederfinden, die zweifellos von denselben Kräften einer mit großer Wahrscheinlichkeit in Nürnberg niedergelassenen Werkstatt geschaffen wurden. Da das Wappen des 1408(?) an der Pest verstorbenen Leupold V. Schürstab an heraldisch rechter Position der Stifterzeile den höchsten Rang einnimmt, dürfen wir annehmen, dass die Stiftung noch zu dessen Lebzeiten und mit dessen maßgeblicher Beteiligung erfolgte. In Anbetracht der in jüngster Zeit erfolgten dendrochronologischen Datierung der Resthölzer des Langhaus-Dachstuhls von St. Martha in die Jahre 1410/11 ist eine frühere Ausführung des Fensters wenig wahrscheinlich. Dazu fügt sich auch die mutmaßliche Entstehungszeit der eng verwandten Amberger Fenster in den Jahren nach 14071.

Nürnberg, um 1410.

Einzelscheiben und Scheibengruppen:

1a: Wappen Schürstab mit Beischilden Ebner und Koler

1b: Wappen Schürstab mit Beischild Pfinzing

1c: Wappen Schürstab mit Beischild Mendel

2a/c: Martyrium der Hl. Ursula und der 11.000 Jungfrauen

2b: Wappen Schürstab

3a/c: Marter der 10.000 Ritter

3b: Christus erscheint den Heiligen Achatius und Hermolaus(?)

4a/b: Predigt des Apostels Matthias

4c: Martyrium des Apostels Matthias

5a–c: Die Apostelfürsten Petrus und Paulus sowie Kardinal und Bischof verehren das Vera Icon

6a–c: Ausgießung des Hl. Geistes mit Maria, den zwölf Aposteln und den Heiligen Martha und Magdalena

  1. S. Daniel Parello, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Regensburg und der Oberpfalz (ohne Regensburger Dom) (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland XIII,2), Regensburg 2015, S. 85–101, Abb. 1–18.»