Northeim, Stadtpfarrkirche St. Sixti
Einführung zum Standort
Die Stadtpfarrkirche St. Sixti in Northeim ist eine dreischiffige, fünfjochige Hallenkirche mit einem Westturm, der vom Vorgängerbau übernommen wurde, einem offenbar geplanten, aber nicht ausgeführten Querhaus (vgl. Vierungspfeiler) und einem 5/8-Chorschluss. Letzterer wurde ab 1469/70 errichtet, 1478 geweiht und 1480/81 eingewölbt. Möglicherweise gehört die Anlage des Querhauses noch zu dieser ersten Bauetappe. In den Jahren von 1492 bis 1497/98 wurde das Langhaus errichtet, dessen Einwölbung erst im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts erfolgte, vermutlich unmittelbar im Anschluss an die Fertigstellung der Kapellen nördlich und südlich des Westturmes.
In den Fenstern auf der Nordseite des Langhauses werden zum einen vier monumentale, um 1478 entstandene Szenen der Passion Christi, die mit großer Wahrscheinlichkeit einst zur Chorverglasung gehört haben, bewahrt (in der Erzählabfolge von Westen nach Osten: Fenster n VII, n VI, n V und n IV), zum anderen zwei große Standfiguren von Heiligen aus dem ausgehenden 15. Jahrhundert (Fenster n VIII).
Literatur:
Elena Kosina, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Niedersachsen ohne Lüneburg und die Heideklöster, unter Verwendung von Vorarbeiten von Ulf-Dietrich Korn (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland VII,1), Berlin 2017, S. 349–367, Abb. 251–262
Nördliches Langhaus
Dem technischen und stilkritischen Befund zufolge dürfen die vier erhaltenen Passionsszenen als Überrest einer ursprünglich umfangreicheren Verglasung des 1478 geweihten Chorneubaus angesehen werden. Da die lichten Breitenmaße und der Versatz der Eisenarmierungen des Chorfensters nord III exakt mit den Scheibenmaßen des Letzten Abendmahls sowie der Gefangennahme und der Geißelung Christi übereinstimmen, liegt es nahe, diese drei Szenen in zeitgemäßer Architekturrahmung dem ersten seitlichen Chorfenster zuzuordnen. Die für das benachbarte Chorfenster nord II überlieferte Kreuztragung würde dann, zusammen mit weiteren Passionsszenen – etwa Kreuzigung und Kreuzabnahme –, eine schlüssige Fortsetzung darstellen.
Über die Gründe für die Versetzung der drei Passionsszenen aus dem Fenster nord III wie über das Schicksal der restlichen Chorverglasung lässt sich indessen nur spekulieren. Zwischen 1898 und 1899 wurden jedenfalls alle überkommenen Szenen der Passion Christi durch die Glasmalereifirma Henning & Andres restauriert beziehungsweise ergänzt und in aufwendigen historistischen Rahmen inmitten einer ebenfalls neuen Ornamentverglasung in die vier nördlichen Langhausfenster eingesetzt.
In stilistischer Hinsicht muss der Bestand in zwei Gruppen aufgeteilt werden. Die vier erhaltenen Szenen der Passion bilden eine einheitliche Gruppe, die einer Werkstatt von hohem technischen Niveau und mit Zugang zu einem vielfältigen, teilweise hochmodernen Vorlagenmaterial zuzuschreiben ist. Hervorzuheben ist hier unter anderem die einfallsreiche Anwendung von Kupferstichen des Meisters E.S. Dagegen erreichen die beiden Standfiguren der Hl. Katharina und des Hl. Bischofs im Langhausfenster nord VIII bei Weitem nicht dieselbe Qualitätsstufe und müssen zwangsläufig in einem anderen Werkstattzusammenhang entstanden sein.
Göttingen oder Lüneburg, um 1478 / Northeim(?), Ende 15. Jahrhundert.