Rothenburg ob der Tauber, Stadtkirche St. Jakob
Einführung zum Standort
Die Stadtpfarrkirche St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber bewahrt in drei Chorfenstern Reste ihrer ursprünglichen Farbverglasung aus der Zeit um 1350 (Fenster I) beziehungsweise um 1390/1400 (Fenster n II und s II) mit Szenen aus dem Leben Christi und Marias sowie Darstellungen zum Nutzen der Eucharistiefeier für die Armen Seelen.
Der Vorgängerbau der heutigen Jakobskirche war im 12. Jahrhundert als Filiale der Pfarrei Dettwang gegründet worden und unterstand zunächst dem Würzburger Stift Neumünster. 1258 übertrug der Würzburger Bischof Iring von Reinstein die Pfarrei Dettwang mitsamt ihrer Filialkirche in Rothenburg dem Deutschen Orden. Im Zuge der Errichtung eines neuen Ordenshauses wurde die Jakobskirche zwischen 1274 und 1286 von Dettwang separiert und zur Pfarrkirche erhoben. Ablässe von 1311 und 1356, pro structura et ornamentis der Kirche, sind auf den um 1310 begonnenen Neubau und die Ausstattung des Chores zu beziehen, der dendrochronologischen Untersuchungen des Dachstuhls zufolge nicht lange nach 1346 fertiggestellt gewesen sein muss.
Literatur:
Hartmut Scholz, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Mittelfranken und Nürnberg extra muros (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland X,1), 2 Bde., Berlin 2002, I,
Chor
Die erste Verglasung, von der nur noch das Achsenfenster (I) und die – in der vorliegenden Präsentation nicht dargestellten – Maßwerkcouronnements aller drei Chorschlussfenster (I, n II und s II) erhalten sind, entstand um die Mitte des 14. Jahrhunderts. Stifter des zentralen Fensters war Götz Lesch von Endsee († vor 1354), ein Dienstmann der Herren von Hohenlohe und der Bischöfe von Würzburg, außerdem kaiserlicher Landrichter zu Rothenburg, dessen Bildnis und Wappen in der Sockelzone des Fensters zu sehen sind.
Die beiden seitlichen Chorfenster (n II und s II) entstanden im Rahmen einer zweiten Ausstattungsphase des Chores um 1390/1400, aller Wahrscheinlichkeit nach in einer Nürnberger Werkstatt. Ihre Bildprogramme stehen in einem direkten Bezug zu aktuellen Ereignissen und der liturgischen Praxis am Ort. Durch den im Jahr 1388 bewilligten Abbruch der alten Fronleichnams- oder Heilig-Blut-Kapelle wird der Wunsch geweckt worden sein, deren (sicherlich vorhandenes) Bildprogramm, das der Heiligblut- und Corpus-Christi-Verehrung in der Kapelle gewidmet gewesen sein dürfte, zu ersetzen. Denn in der Hoch-Zeit der Eucharistieverehrung und -wallfahrt in Rothenburg konnte auf einen bildkünstlerischen Ausdruck der heilsspendenden Wirkung des Messopfers nicht verzichtet werden. Über ein halbes Jahrhundert bis zum Neubau der Heiligblut-Empore im Westbau der Kirche 1453–1471 dürfte das Eucharistiefenster (s II) – neben der eigentlichen Wunderblut-Reliquie – ein Hauptanziehungspunkt der Wallfahrt zum Hl. Blut in Rothenburg gewesen sein. Ein wiederholt, nämlich in den Jahren 1356, 1388 und 1391 gewährter Ablass für den Besuch der Jakobskirche an bestimmten Festtagen wurde ausdrücklich denen zuteil, die vor dem Bild der heiligen Jungfrau Maria in Verehrung ihrer sieben freudenreichen Ereignisse sieben Ave Maria beteten. Alles deutet daraufhin, in diesem nochmals 1411/12 erneuerten Ablass die auslösende Motivation für das Bildprogramm des um 1390/1400 neu geschaffenen Freuden-Marien-Fensters (n II) zu vermuten.