Lautenbach im Renchtal, Pfarr- und Wallfahrtskirche
Einführung zum Standort
Die Pfarr- und Wallfahrtskirche Lautenbach im Renchtal bewahrt in den fünf Fenstern des Chores und in sieben Fenstern des Langhauses noch einen großen Teil ihrer ursprünglichen partiellen Farbverglasung – insgesamt 59 spätmittelalterliche Rechteckscheiben aus den Jahren um 1482–1488. Die Verglasung repräsentiert auf selten umfangreiche Weise den kirchlichen, adeligen und bürgerlichen Personenkreis, der durch kirchenpolitische wie verwandtschaftliche Beziehungen mit dem Bau verbunden war.
Der Bau der stattlichen, zur Marienwallfahrt bestimmten Kapelle an der alten Renchtalstraße wurde im Jahr 1471 begonnen und 1488 geweiht. Stifter und Bauherren waren die bischöflich-straßburgischen Pfandherren Bernhard von Bach und Friedrich von Schauenburg. Kirchenrechtlich gehörte der Bau zum Straßburger Bistum und unterstand dem Prämonstratenserkloster Allerheiligen, was sich im Engagement der Straßburger Bischöfe Ruprecht (1439–1478) und Albrecht (1478–1506) sowie der Pröpste von Allerheiligen, Andreas Rohart von Neuenstein (1469–1474) und Johannes Magistri (1477–1492), für die Ausstattung der Kapelle niedergeschlagen hat. Urkundliche Nachrichten über die Fensterstiftungen existieren nicht, doch sind alle Stifter durch Inschriften und Wappen eindeutig zu identifizieren.
Sämtliche Fenster wurden in Straßburg geschaffen, wo die wohl berühmtesten Glasmalerei-Werkstätten der Zeit im süddeutschen Raum ihren Sitz hatten. Fünf selbständige Meister der Zunft – mit Namen Peter Hemmel von Andlau, Lienhart Spitznagel, Theobald von Lixheim, Hans von Maursmünster und Werner Störe – hatten sich 1477 zunächst für vier Jahre, doch mit der Option auf Verlängerung, zu einer Werkstattgemeinschaft auf genossenschaftlicher Basis zusammengeschlossen, um fortan die enorme Nachfrage nach dem Markenprodukt stroßpurg finster (Straßburger Fenster) gemeinsam zu bewältigen und sich Kosten und Gewinn zu teilen. Obwohl die Lautenbacher Fenster erst ab 1482, das heißt nach der gesicherten Vertragszeit der Werkstattgemeinschaft entstanden sind, ist an der maßgeblichen Beteiligung einer oder mehrerer der genannten Werkstätten nicht zu zweifeln. Als Grund für die Wahl der Straßburger Glasmaler, die kurz zuvor auch die Glasgemälde der Tübinger Stiftskirche geliefert hatten, wurde mit guten Gründen auf die politischen und verwandtschaftlichen Beziehungen der Stifter zu Graf Eberhard von Württemberg und dessen Haushofmeister Hans von Bubenhofen verwiesen. Die Zuschreibung des Hauptanteils der Verglasung an einen einzelnen Meister der Werkstattgemeinschaft, der unter dem Notnamen „Lautenbacher Meister“ in die Forschung eingeführt wurde, ist mit Blick auf das erstaunlich einheitliche Stilbild der Werke weit über die gesicherte Vertragszeit der Kooperative hinaus aus heutiger Sicht allerdings mit einem Fragezeichen zu versehen.
Literatur:
Rüdiger Becksmann, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Baden und der Pfalz (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland II,1), Berlin 1979, S. 153–189
Chor
Die fünf Fenster des Chorpolygons sind den Stiftungen der kirchenpolitischen Obrigkeiten sowie der Bauherren und deren Angehörigen vorbehalten. Im ranghöchsten Fenster der Chorachse, das leider einen Teil seiner Stifterzeile eingebüßt hat, ließen sich der Straßburger Bischof Albrecht von Pfalz-Mosbach (1478–1506) und der Propst Johannes Magistri von Kloster Allerheiligen (1477–1492) unter den Szenen der Verkündigung an Maria und der Heimsuchung verewigen. Für die benachbarten Fenster n II und s II waren die Schauenburger zuständig, die den Baugrund erworben und den Grundstein für den Kapellenbau gelegt hatten; neben Friedrich von Schauenburg in n II ist dessen Schwiegersohn Melchior in s II vertreten, beide im Bild mit ihren Ehefrauen zuseiten der Heiligen Johannes Baptista und Barbara. In den beiden seitlichen Fenstern n III und s III kamen die Neuensteiner zum Zug, was wesentlich auf den Einfluss des Propstes Andreas Rohart von Neuenstein (1469–1474), dem ersten Baupfleger der Lautenbacher Kapelle, zurückzuführen ist.
Zugehörige Fenster
- Fenster I (Verkündigung an Maria und Heimsuchung Marias mit Stifter Propst Johannes Magistri von Kloster Allerheiligen)
- Fenster n II (Hl. Johannes Baptista mit Stifterpaar Friedrich von Schauenburg und Katharina Volker von Sulzbach)
- Fenster s II (Hl. Barbara mit Stifterpaar Melchior von Schauenburg und Veronika von Schauenburg)
- Fenster n III (Hl. Katharina mit Stifterpaar Melchior von Neuenstein und Lucia von Großweier)
- Fenster s III (Hl. Sebastian mit Stiftern Gebhard Rohart von Neuenstein und Frau sowie Hans Rohart von Neuenstein und Frau)
Langhaus
Die Unterschiede zwischen der Farbverglasung des Langhauses und der des Chores wurden gemeinhin vor allem darin gesehen, dass der Chor den adeligen, das Langhaus dagegen den bürgerlichen Stiftern vorbehalten gewesen sei. Das Programm ist jedoch viel komplexer und erlaubt einen wesentlich differenzierteren Einblick in die gesellschaftlichen Verhältnisse einer vornehmlich durch Landadel und landstädtisches Bürgertum geprägten bischöflichen Herrschaft im ausgehenden 15. Jahrhundert. Im Unterschied zur Chorverglasung befindet sich allerdings nur noch ein Teil der Glasgemälde an seinem ursprünglichen Fensterplatz. Soweit es die Beschreibungen des Chronisten und Jesuitenpaters Johannes Gamans SJ aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und des Prämonstratenserpaters Adalbert Hardt OPraem rund hundert Jahre später erlauben, wurden Angaben zu den damaligen, noch angestammten Positionen mitgeteilt1.
Zugehörige Fenster
- Fenster s IV (Hl. Leonhard)
- Fenster n V (Christus am Kreuz mit Stifterpaar Anton von Ramstein und Barbara Bock von Staufenberg / Hl. Jakobus der Ältere mit unbekannten Stiftern)
- Fenster s V (Pietà mit Arma Christi und Stifterpaar Bernhard und Elsa aus dem Sulzbad)
- Fenster n VI (Hl. Johannes Baptista mit Stifterpaar Konrad und Katharina Wegstein / Strahlenkranzmadonna mit Stiftern Johannes Nottenstein und Frau sowie Heinrich und Barbara Wegstein)
- Fenster s VI (Thronende Muttergottes mit Engeln und Stifterpaar Heinrich und Anna Distelzweig)
- Fenster n VII (Verkündigung an Maria)
- Fenster n VIII (Hl. Ursula, Wappen des Straßburger Bischofs Albrecht von Pfalz-Mosbach, Architektur- und Astwerkbaldachine)
- Vgl. Becksmann 1979, Regesten S. 295–297.»