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Ulm, Münster

Einführung zum Standort

Ulm, Münster, Grundriss mit Standorten der mittelalterlichen Fenster
Ulm, Münster, Ansicht von Südosten, um 1977 (© Joachim Feist, Pliezhausen)

Die Glasmalereien des Ulmer Münsters aus der Zeit um 1400 bis 1480 sind unbestrittene Meisterwerke spätgotischer Glasmalerei. Teils wurden sie importiert von führenden Nürnberger und Straßburger Werkstätten, teils von ansässigen Glasmalern geschaffen, die mit den modernsten Kunstströmungen der Zeit vertraut waren.

Das Ulmer Münster – die Pfarrkirche der Stadt Ulm – ist eine Neugründung des Jahres 1377 inmitten der Stadt anstelle der aufgelassenen alten, vor der Stadtmauer gelegenen Pfarrkirche Unser frowen über velt. Namhafte Baumeister aus der Dynastie der Parler, der Ensinger und Böblinger waren maßgeblich an der Aufführung des gewaltigen Kirchenbaus beteiligt. Die erste glaubwürdig überlieferte Weihe des Chors ist für den 25. Juli 1405 überliefert, und zum damaligen Zeitpunkt war zumindest ein Teil der Chorfenster bereits farbig verglast. Die Errichtung und Farbverglasung der 1414 gestifteten zierlichen Familienkapelle der Besserer an der Südseite des Chors war um 1430/31 abgeschlossen. Der 1439 gestiftete, doch erst 1444 begonnene Anbau der Neithart-Kapelle auf der Nordseite des Chors ist in den wesentlichen Partien erst 1450 vollendet worden. Mit Aufführung der Fensterzone und Schließung des hohen Gewölbes im Langhaus im Jahr 1471 war das Kirchenschiff nach fast einhundertjähriger Bauzeit im Wesentlichen fertiggestellt. Dies war auch die Zeit ehrgeiziger Aktivitäten zur Neuausstattung des Münsterinnern, die mit Sakramentshaus, Taufstein, Dreisitz, Chorgestühl und Hochaltar besonders den Chorraum betrafen und sich dort auch auf die Neuverglasung von Rats- und Kramerfenster 1480/81 erstreckten.

Mit einem Gesamtbestand von annähernd 450 mittelalterlichen Rechteck-, Kopf- und Maßwerkscheiben zählt das Ulmer Münster zusammen mit den Domen von Köln, Regensburg, Erfurt, München, Stendal und Halberstadt, dem Freiburger Münster und den beiden großen Nürnberger Pfarrkirchen St. Sebald und St. Lorenz zu den zehn größten und bedeutendsten Glasmalerei-Standorten in Deutschland.

Der Bestand verteilt sich wie folgt auf die einzelnen Bauteile Chor, Besserer-Kapelle, Neithart-Kapelle und Langhaus des Münsters:

1. Im Chor sind in sechs großen Fenstern der Apsis insgesamt 268 Felder mit mittelalterlicher Substanz bewahrt. Sämtliche Kopf- und Maßwerk­scheiben sind im Zweiten Weltkrieg zugrunde gegangen (1944), doch sind sie zum Teil in Aufnahmen von 1930 überliefert. Die drei verkürzten Fenster des Langchors hatten ihre mittelalterliche Farbverglasung bereits zu Anfang des 18. Jahrhunderts verloren.

2. Die Farbverglasung der Besserer-Kapelle umfasst in sieben Fensteröffnungen 43 Rechteckscheiben und 11 Maßwerkfelder. Auch hier wurde das Gros der im Krieg nicht geborgenen Maßwerkscheiben 1944 zerstört. Sechs fehlende Felder der Chörleinverglasung, die 1964/65 durch Neuschöpfungen von Hans Gottfried von Stock­hausen ersetzt wurden, waren bereits Mitte des 19. Jahrhunderts nicht mehr nachzuweisen.

3. Die Neithart-Kapelle beherbergt in ihren drei Raumabschnitten 7 Rechteck- und 8 Maßwerkfelder, von denen aber nur eine einzige Scheibe ursprünglich für die Kapelle bestimmt gewesen war. In der Neithart-Bibliothek im ersten Turmgeschoss oberhalb der Kapelle befinden sich außerdem zwei, hier nicht behandelte Wappenscheiben.

4. Die in situ befindlichen spärlichen Überreste der einstmals vollständigen Langhausvergla­sung umfassen in vier Obergadenfenstern mit 36 überkommenen Rechteckscheiben Zunft­stiftungen der Tuchscherer, Zimmerleute, Schmiede und Fischer, in der Fensterstiftung der Besserer über dem Westportal 13 und in zwei Fenstern des nördlichen Seitenschiffs – darunter die Stiftung der Wollweber – 24 Rechteckfelder und 6 Maßwerkscheiben. Darüber hinaus sind 28 fragmentierte, hier ebenfalls nicht behandelte Restfelder zu nennen, die im Münsterdepot aufbewahrt werden. Sie sind Relikte abgegangener Langhausfenster, die bei Restaurierungen des 19. Jahrhunderts ausgeschieden und durch Neuschöpfungen ersetzt wurden.

Literatur:

Elias Frick, Templum Parochiale Ulmensium / Ulmisches Münster [...], Ulm 1731

Paul Frankl, Peter Hemmel. Glasmaler von Andlau, Berlin 1956

Hartmut Scholz, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Ulm (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland I,3), Berlin 1994

Hartmut Scholz / Uwe Gast, Das Ulmer Münster (Meisterwerke der Glasmalerei 8), Regensburg 2019

Zugehörige Fenster

Zugehörige Fenster

Zugehörige Fenster

Zugehörige Fenster

Grundriss

                                  

Lage des Standorts

  1. Scholz/Gast 2019, S. 94f..»
  2. S. Scholz 1994, S. 272, Regest Nr. 73.»
  3. Scholz 1994, S. 180.»
  4. S. Scholz/Gast 2019, S. 88f..»