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Chor, Fenster s III (Freuden-Marien-Fenster), Tod Marias (s III, 8b/c und 9/10a–d)
Detailansicht
Erhaltungsschema

Beschreibung
Die Vorstellungen vom Lebensende der Gottesmutter, von dem weder im Neuen Testament noch bei den Kirchenvätern irgendwo die Rede ist, beruhen ausschließlich auf apokryphen Quellen, deren verbreitetste – der Liber de dormitione sanctae Deiparae – in spätere Redaktionen und Legendensammlungen eingeflossen ist, namentlich die Legenda aurea1.
Die großflächig angelegte Szene im Weberfenster zeigt Maria auf dem Sterbebett im Kreise der Apostel, doch im Gegensatz zur verbreiteten Text- und Bildtradition fehlt Christus, der die Seele der Verstorbenen – meist in Gestalt einer kleinen Marienfigur – zu sich aufnimmt. Diese Betonung der Sterbestunde, des Abschieds der Apostel von Maria und die Feier des Offiziums, die im Laufe des 15. Jahrhunderts zunehmend das Bild bestimmen, wird auch durch die halb sitzende, auf Kissen gestützte Haltung und die geöffneten Augen Marias nahegelegt. Erstmals innerhalb der Ulmer Glasmalerei ist die bahnen- und zeilenübergreifende Szene in einem einheitlichen, dreischiffigen Gewölberaum angesiedelt, der ohne flankierende Annexe alle Figuren gemeinsam überspannt und sich nach vorn hin in einem großen, vielfach genasten und mit Krabben besetzten Kielbogen auf rahmenden Säulen öffnet. Nur in den flachen Zwickeln oberhalb der Bogenschenkel erinnern zwei niedrige Kastenräume mit Engelfiguren noch an die bereits überholten Konstruktionen.
- Jacobus de Voragine, Legenda aurea / Goldene Legende. Einleitung, Edition, Übersetzung und Kommentar von Bruno W. Häuptli, 2 Bde., Freiburg/Basel/Wien 2014, II, Kap. 119.»