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Chor, Fenster s III (Freuden-Marien-Fenster), Geburt Christi und Engelempore mit Gottvater (s III, 1b–d und 2a–d)
Detailansicht
Erhaltungsschema

Beschreibung
Das großflächig angelegte Weihnachtsbild (Lukas 2,1–21) verzichtet auf geläufige Motive wie Ochs und Esel, es bezieht stattdessen die ankommenden Hirten und zwei mit der Zubereitung des Bades beschäftigte Wärterinnen in die Darstellung ein. Die Badeszene, durch die die Menschlichkeit des göttlichen Kindes betont und zugleich auf das Mysterium der Taufe hingewiesen werden sollte, war in Ulm bereits 1356 für ein Tympanon der alten Pfarrkirche – das heutige Nordwestportal des Münsters – platzgreifend in Szene gesetzt worden. Die Unterschiede im Einzelnen sind allerdings so gravierend, dass hier von einem direkten Vorbild nicht gesprochen werden kann. Die Anbetung des nackten Kindes in der Krippe folgt vielmehr in verschiedener Hinsicht den um 1300 verfassten franziskanischen Meditationes Vitae Christi: Maria und Joseph sind in kniender Verehrung dargestellt; das Kissen mit Werg, das Joseph der literarischen Quelle zufolge aus dem Sattel des Esels nahm und neben die Krippe legte, dient der Gottesmutter in Ulm als Kniepolster1. Zugleich erscheint hier als Ort der Geburt weder die Höhle noch der Stall, sondern, wie bereits die Historia scholastica des Petrus Comestor und die Legenda aurea berichten, ein gedeckter Durchgang zwischen den Häusern, der in dem gewölbten Altan der Bildarchitektur eine höchst angemessene Formulierung gefunden hat. Über der Brüstung erscheinen Engelchöre und Gottvater in Halbfigur, von dessen Mund als Sinnbild für die Fleischwerdung des Wortes (Johannes 1,14) Lichtstrahlen und der Hl. Geist in Gestalt der Taube auf den Sohn herabkommen.