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Langhaus, Fenster nw XVIII (Kutteltürfenster), Gesamtansicht

Gesamtansicht

                                  

Erhaltungsschema

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Beschreibung

Die Fensteröffnung ist erst um 1500 von Burkhard Engelberg in die bestehende Westwand des nördlichen Seitenschiffs eingefügt worden und kommt somit als ursprünglicher Standort der heute in ihm zusammengestellten Glasmalereien nicht in Betracht.

Das aus Restscheiben aus einem oder mehrerer Fenster zusammengestellte Ensemble umfasst sechzehn Rechteckfelder; vierzehn davon sind alt, zwei von Hermann Kellner 1873 zur Komplettierung neu gefertigt worden. Die gegenwärtige, sehr kompakte Zusammenstellung der Scheiben geht auf die Neuordnung im Jahr 1994 zurück. Diese war getragen von dem Wunsch, die früher beobachtete, wenig erfreuliche Überstrahlung der ohnedies stark getrübten Glasmalereien so weit wie möglich zu reduzieren, um wieder eine bessere Lesbarkeit der Darstellungen zu erzielen. Die moderne Umgebung der mittelalterlichen Restscheiben wurde nach Entwürfen von Ludwig Schaffrath in der Werkstatt van Treeck in München ausgeführt.

Die sechzehn Felder umfassen die Darstellung der Virgines capitales Katharina, Margaretha, Dorothea und Barbara, die beiden Apostel Jakobus den Älteren und Judas Thaddäus sowie zwei Kielbogenabschlüsse mit diskutierenden Jünglingen (Engel).

Den größten zusammengehörigen Block bilden die vier Hll. Jungfrauen, die paarweise in zwei identisch gewölbte Bildräume eingestellt sind und insgesamt acht Felder beanspruchen. Über den vorkragenden, seitlich von Atlanten gestützten Brüstungen der Baldachine tummeln sich acht nackte Figürchen, deren Bedeutung bisher noch nicht überzeugend erklärt werden konnte. Nimmt man die kleinen nackten Kindergestalten als das, was sie prima vista sind, und nicht als Vertreter eines besonderen Engelstypus oder Personifikationen verstorbener Seelen, dann erschließt sich ein möglicher ikonografischer Zusammenhang, der weniger theologisch als vielmehr ganz profan und pragmatisch begründet gewesen sein könnte und außerdem ein Argument für den ursprünglichen Standort des Fensters liefern würde: ein Zusammenhang mit dem Ungelter-Altar, an dem der zu Bethlehem ermordeten unschuldigen Kinder gedacht wurde. Deren Verehrung ist im Münster nur an dieser einen Stelle überliefert, im Osten des nördlichen Seitenschiffs, unter dem Hochmünster [gemeint ist damit der Chor] zu der linken Hand hinter unseres Herrn Fronleichnams Behaltnus [dem Sakramentshaus] an dem andern Pfeiler1, also offenbar zwischen dem ersten und zweiten Joch. In unmittelbarer Nachbarschaft im ersten Joch befand sich der Altar Konrad Strölins, der seinerseits als einziger des Münsters allen vier Virgines capitales geweiht war2. Mit Blick auf die additive Programmgestaltung des Fensters ist ferner anzumerken, dass sich im selben ersten Joch des Nordseitenschiffes auch der sogenannte Oswald-Altar befand, der als einziger im Münster unter seinen Patronen den Hl. Judas Thaddäus verzeichnet3.

Die Glasmalereien des Kutteltürfensters sind bislang ohne eingehenden Befund und stets anhand sekundärer Anhaltspunkte sehr unterschiedlich beurteilt worden. Tatsächlich widersetzen sich die verschiedenen technischen, kompositorischen und stilistischen Merkmale des Fensters einer einfachen linearen Ableitung. Als Erzeugnisse der Zeit um 1415/20 stehen sie vermittelnd zwischen den Arbeiten der älteren Chorfensterwerkstatt und der Farbverglasung der Besserer-Kapelle.

Scheibengruppen:

2/3b: Hl. Jakobus der Ältere

3c: Hl. Judas Thaddäus

4/5a/b: Hll. Katharina und Margaretha

4/5c/d: Hll. Dorothea und Barbara

6b: Kielbogenarchitektur mit Engel

6c/d: Kielbogenarchitektur mit diskutierenden Engeln

  1. Vgl. Scholz 1994, S. 199.»
  2. Ebd..»
  3. Ebd..»