Elzach, Pfarrkirche St. Nikolaus
Einführung zum Standort
Das Städtchen Elzach mit seiner Pfarrkirche St. Nikolaus liegt etwa 30 km nordöstlich von Freiburg im Breisgau im malerischen Tal der Elz, eines rechtsseitigen Nebenflusses des Rheins. Ortsherren waren seit 1465/66 die Herren von Rechberg zu Hohenrechberg1, die in Person Martins von Rechberg auch den Bau des Chors von St. Nikolaus initiieren und maßgeblich fördern sollten.
Ältester Bauteil der bereits im 12./13. Jahrhundert nachweisbaren Kirche ist heute der dreijochige, über drei Seiten eines Achtecks geschlossene und von einem filigranen Netzgewölbe überspannte Chor. Seine westlichen Schlusssteine sind mit den Wappen Rechberg, Arco und Schwarzenberg verziert. Erstere Wappen weisen auf die Eheverbindung des Martin von Rechberg zu Hohenrechberg mit Agathe Gräfin von Arco hin2. Dieselbe Wappenallianz begegnet auch, und zwar jeweils in Verbindung mit der Jahrzahl 1522, außen am Portal auf der Nordseite des Chors und an einem Eckquader außen an der Sakristei, die Wappen nochmals am Sakramentshaus und die Jahrzahl 1522 wiederum außen an einem der Chorstrebepfeiler. Der Chor, der von Martin von Rechberg und seiner Frau Agathe errichtet wurde, lässt sich demnach sicher in die frühen 1520er-Jahre datieren; das Langhaus und der Westturm sind dagegen späteren Datums3.
Unmittelbar im Anschluss an die Fertigstellung des Chorbaues, der mit einem dreibahnigen Achsenfenster (I) und vier zweibahnigen Seitenfenstern (n II, s II, s III und s IV) versehen ist, wurde unter Beteiligung verschiedener Fensterstifter in den Jahren 1523/24 eine partielle, auf je eine Zeile der Fenster beschränkte Farbverglasung eingebracht. Von diesen ursprünglich elf Rechteckscheiben sind, über den gesamten Bau verteilt, noch zehn, teils fragmentierte Felder einschließlich eines Teils der Sockelinschriften erhalten − repräsentative, nicht-zyklische Darstellungen aus dem Leben Marias und Christi, des Ecce homo und der Mater dolorosa sowie Heiligen, die von der Freiburger Werkstatt des Hans Gitschmann von Ropstein entworfen und ausgeführt worden sind.
Freiburg (Werkstatt Hans Gitschmann), um 1523/24.
Literatur:
Die Kunstdenkmäler der Amtsbezirke Breisach, Emmendingen, Ettenheim, Freiburg (Land), Neustadt, Staufen und Waldkirch (Kreis Freiburg Land), in Verbindung mit E. Wagner bearbeitet von Franz X. Kraus †, aus dessen Nachlass hrsg. von Max Wingenroth (Die Kunstdenkmäler des Großherzogthums Baden VI,1), Tübingen/Leipzig 1904, S. 497−499, Taf. XXXVI−XXXIX
Rüdiger Becksmann, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Baden und der Pfalz ohne Freiburg i. Br. (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland II,1), Berlin 1979, S. 35–43
Josef Weber, Elzach St. Nikolaus (Schnell, Kunstführer Nr. 1283), München/Zürich 1981
Dietrich Rentsch, Glasmalerei, in: Die Renaissance im deutschen Südwesten, Ausst.-Kat. Heidelberg 1986, 2 Bde., Karlsruhe 1986, I, S. 241−302, zu Elzach S. 255, Nr. D 8
Daniel Parello, Von Helmle bis Geiges. Ein Jahrhundert historistischer Glasmalerei in Freiburg (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 31), Freiburg i. Br. 2000, S. 63
Chor
Die ursprünglich in den fünf Fenstern des Chors eingesetzten Glasgemälde der Elzacher Pfarrkirche sind gegenwärtig auf sechs Fenster in Chor (n II, s II, s III und s IV) und Langhaus (n V und s VII) verteilt, zwangsläufig in veränderter Zusammenstellung. Ihre Neuordnung könnte schon um 1806/07 vorgenommen worden sein, als das Achsenfenster im Chor durch die Aufstellung des Barockretabels aus Oberndorf am Neckar verdeckt wurde4; möglich aber auch, dass sie erst 1884/85 umgesetzt wurden, nachdem alle Scheiben in der Freiburger Werkstatt Helmle & Merzweiler restauriert und teilweise übermalt worden waren5.
Drei Scheiben – die Darstellungen des Hl. Georg mit dem Stifter Martin von Rechberg (Chor n II, 2a), des 1885 vollständig überarbeiteten Ecce homo (Lhs. n V) und der Mater dolorosa mit der Stifterin Agathe Gräfin von Arco (Lhs. s VII) – lassen sich aufgrund ihrer originalen Breitenmaße von 49,5 cm allein dem Achsenfenster zuordnen, das heißt dem ranghöchsten Fenster der Kirche, das die Bauherren für sich beanspruchen durften und auch beansprucht hatten. Während Rüdiger Becksmann offenbar davon ausging, dass alle übrigen Scheiben noch an ihren ursprünglichen Plätzen zu sehen sind, muss es aber 1806/07 oder 1884/85 zu weiteren Umsetzungen von Glasgemälden gekommen sein. Mit Sicherheit nicht mehr in originaler Einbausituation befinden sich die Scheiben mit den Heiligen Christophorus und Georg (Chor s III, 2a/b). Sie wurden von Konrad IV. und Georg II. von Tübingen-Lichteneck gestiftet, den Söhnen der Agathe von Arco aus erster Ehe. Da die Stifter beider Scheiben mit ihren Wappen jeweils nach rechts ausgerichtet sind (und sich so heute vom Hochaltar abwenden!), müssen sie ursprünglich auf der Nordseite des Chors im Fenster nord II eingesetzt gewesen sein, also in Hinwendung auf Hochaltar und Achsenfenster (s. Rekonstruktion). Ihre Pendants waren mit großer Wahrscheinlichkeit die völlig gleich komponierten Scheiben mit den Darstellungen des Todes Marias und der Kreuzabnahme Christi sowie geistlichen Stiftern (Chor s IV, 2a/b), die wiederum parataktisch nach links ausgerichtet sind und – in umgekehrter Anordnung(?) – im Fenster süd II eingesetzt gewesen sein müssten (s. nochmals Rekonstruktion). Nicht endgültig zu klären ist die Frage, wo genau die verbleibenden Scheiben mit den Darstellungen des Hl. Nikolaus mit dem Wappen der Stadt Elzach (Chor n II, 2b), der Madonna im Strahlenkranz (Chor s II, 2a) und der Hl. Margareta (Chor s II, 2b) ihren Platz hatten; jedenfalls waren sie zusammen mit einer verlorenen Scheibe auf der Südseite des Chors eingesetzt (s III, s IV).
Soweit es anhand der erhaltenen Wappen und der vier fragmentierten, unter den beiden Scheiben im Langhaus falsch angestückten Reste von Sockelinschriften zu erkennen ist, setzte sich die Gruppe der Fensterstifter aus den Bauherren selbst, nahen Verwandten, der Stadt Elzach sowie Geistlichen aus Waldkirch und Oberwinden zusammen, aber auch lokale Handwerkervereinigungen waren offenbar vertreten (vgl. die eingeflickten Wappen im Fenster s IV). Dabei wurde bei der Ausführung insofern auf formale Einheitlichkeit des Ensembles geachtet, als alle Chorfenster gleich gestaltet wurden: als lichte Blankverglasungen, in denen die Figuren oder Szenen die zweite Fensterzeile besetzten und in der Summe ein durchlaufendes farbiges Band bildeten, unten von Sockelinschriften, oben von vereinheitlichten Architekturbekrönungen begrenzt. Das Prinzip „schwebender Bildfenster“ in Elzach dürfte insbesondere von den Chorkapellen des Freiburger Münsters inspiriert gewesen sein, deren Verglasungen in den 1510er- und 1520er-Jahren eingebracht wurden und in der Blumeneck-Kapelle um 1520 formal ganz ähnlich gestaltet wurden6. Allerdings sind in Elzach – mit einer Ausnahme (Chor s IV, 2b) – Figuren und Szenen stets vor einen farbigen Damasthintergrund gesetzt, der bereits in den Hochchorfenstern des Freiburger Münsters verwendet wurde7. Während die Zuschreibung der Elzacher Glasgemälde an die Werkstatt von Hans Gitschmann von Ropstein nicht zur Diskussion steht, wird eine Beteiligung Hans Baldung Griens am Entwurfsprozess, wie sie gelegentlich vermutet worden ist, heute abgelehnt, werden die „Anklänge an Baldungsche Bildprägungen“ damit erklärt, dass die Glasmaler-Werkstatt sich den Stil Baldungs in den Jahren der Zusammenarbeit mit ihm angeeignet habe8.
Nach Erscheinen des Baden/Pfalz-Bandes von Rüdiger Becksmann (1979) wurden alle Glasgemälde der Elzacher Pfarrkirche in den Jahren 1996/97 einer behutsamen konservierenden Behandlung durch die Werkstatt Oidtmann, Linnich, unterzogen9. Die Erhaltungsschemata geben noch den älteren, von Becksmann konstatierten Zustand der Glasgemälde wieder.
Zugehörige Fenster
Langhaus
Das Langhaus der Elzacher Pfarrkirche wurde im 18. Jahrhundert als Saalbau neu errichtet und 1957/58 um Seitenschiffe erweitert10. Es ist der nicht ursprüngliche, sekundäre Standort für zwei Scheiben aus dem Achsenfenster des Chors, dem Ecce homo (Lhs. n V) und der Mater dolorosa (Lhs. s VII).
Zugehörige Fenster
- H[einrich] Zeller-Werdmüller, Die Freien von Eschenbach, Schnabelberg und Schwarzenberg. II. Theil, in: Zürcher Taschenbuch auf das Jahr 1894, S. 62–105, hier S. 103.»
- Oberbadisches Geschlechterbuch, bearbeitet von J[ulius] Kindler von Knobloch und O[tto] Frhr. von Stotzingen, Bd. 3, Heidelberg 1919, Stammtafel S. 370. Das Wappen der Freiherren von Schwarzenberg bezieht sich auf die Übernahme der Herrschaft Schwarzenberg 1465/66.»
- Kraus/Wagner/Wingenroth 1904, S. 493–497; Weber 1981, S. 2–4.»
- Becksmann 1979, S. 36; Parello 2000, S. 188, Anm. 236. Erwerbung und Aufstellung des Retabels sind von Josef Weber in zwei Zeitungsartikeln höchst lebendig geschildert worden: Wie 1806 der Hochaltar von Oberndorf nach Elzach kam, in: Badische Zeitung vom 25.08.2006 und vom 29.08.2006.»
- Zu dieser Restaurierung, die Becksmann 1979, S. 36, mit Bedacht mit aller Vorsicht bewertet hat, s. ausführlich Parello 2000, S. 63, 188f., Anm. 235–237.»
- Becksmann 1979, S. 38; Rüdiger Becksmann, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland II,2), 2 Bde., Berlin 2010, I, S. 479–484.»
- Rüdiger Becksmann, Die mittelalterlichen Glasmalereien in Freiburg im Breisgau (Corpus Vitrearum Medii Aevi Deutschland II,2), 2 Bde., Berlin 2010, I, S. 15, Muster II,42.»
- Becksmann 1979, S. 38.»
- Parello 2000, S. 188, Anm. 238. Eine Kopie des 1996 erstellten Restaurierungs- und Sicherungskonzeptes von Dr. Ivo Rauch liegt im Archiv der Freiburger Arbeitsstelle des Corpus Vitrearum Deutschland.»
- Weber 1981, S. 3.»