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Zell am Harmersbach, Rathaus

Einführung zum Standort

Zell am Hamersbach, Blick in die Hauptstraße mit dem alten Rathaus von 1546 (© Stadtarchiv Zell am Harmersbach)

Die badische Kleinstadt Zell am Harmersbach liegt etwa 20 Kilometer südöstlich von Offenburg im mittleren Schwarzwald. Von Kloster Gengenbach gegründet (Ersterwähnung 1139) und schon im 13./14. Jahrhundert als städtische Gemeinde („civitas“) ausgewiesen, wurde Zell, wie Offenburg und Gengenbach, mit der Erlangung der Reichsfreiheit im Jahr 1366 eigenständiger „Akteur“ innerhalb des vielteiligen, komplizierten Herrschaftsgefüges in der Reichslandvogtei Ortenau, die – bis um 1551/1557 – jeweils zur Hälfte an die Bischöfe von Straßburg (1351) und die Grafen von Fürstenberg (1504) verpfändet war. Die drei Städte Offenburg, Gengenbach und Zell ließen sich ihre reichsstädtischen Privilegien stets erneuern und waren seit 1575 als sogenannte Vereinsstädte zusammengeschlossen, um ihre Position gegenüber der Landvogtei zu stärken1.

1543 wurde das mittelalterliche Rathaus der Stadt bei einem Stadtbrand vollständig zerstört. Nach der Erneuerung aller Freiheiten, Rechte und Zölle durch Kaiser Karl V. (1545) wurde es im Jahr 1546 – mit einer Markthalle im Erdgeschoss sowie Versammlungs- und Verwaltungsräumen im Obergeschoss – neu erbaut2. Im Zusammenhang mit diesem Neubau bat die Stadt umliegende Orte, Gerichte und Herrschaften um die Stiftung von Fenstern mit Glasgemälden (Wappen) für den Ratssaal – eine „Sitte“, die im 15./16. Jahrhundert gebräuchlich geworden war und die Verbundenheit von Schenkenden und Beschenktem zum Ausdruck brachte3. Ein entsprechender Bittbrief an den Bischof der Stadt Straßburg wird von Erich Honickel zitiert: „Nachdem uns großer Schaden durch das Abbrennen unserer Häuser und unserer Gemeinen Ratsstube zugefügt wurde, haben wir sie wieder aufbauen lassen. Nun müssen noch die Fenster eingesetzt werden. Da auch die Vorfahren des gnädigen Fürsten ihr Wappen und Gedächtnis im alten Rathaus schenkungsweise anbringen ließen, also bitten wir untertäniglich, daß der hohe Fürst ebenfalls sein Wappen nebst Fenster für unsere Ratsstube stiften möchte“4. Zwölf solcher Wappenscheiben aus den Jahren 1547, 1548, 1551 und 1595 sind in Zell am Harmersbach erhalten geblieben.

 

Literatur:

Max Wingenroth, Die Kunstdenkmäler des Kreises Offenburg (Die Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden VII), Tübingen 1908, S. 568f.

Franz Disch, Chronik der Stadt Zell am Harmersbach, Lahr 1937

Erich Honickel, Eine geroldseckische Wappenscheibe. Walter VI. von Geroldseck als Stifter einer Standesscheibe im Rathaus von Zell am Harmersbach, in: Geroldsecker Land 16, 1974, S. 174f.

Dieter K. Petri, Zell am Harmersbach im Wandel der Zeit, Zell am Harmersbach 22022

Lisa Eberhardt / Gerlinde Möhrle / Sandra Williger, Im neuen Licht. Die Wappenscheiben des Zeller Rathauses, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 53, 2024, S. 188–195

Zugehörige Fenster

Grundriss

         

Lage des Standorts

  1. Otto Kähni, Die Reichsstädte der Ortenau, in: Esslinger Studien 11, 1965, S. 43–61; Godehard Grimm, Geschichte der Stadt Zell am Harmersbach, in: Badische Heimat 49, 1969, S. 413–432; Wilhelm Mechler, Die geistlichen und weltlichen Territorien in der Ortenau. Ihre Geschichte bis zur Auflösung 1803–1806, in: Kurt Klein, Land um Rhein und Schwarzwald. Die Ortenau in Geschichte und Gegenwart, Kehl 1978, S. 65–79; Dieter Kauß, Die Vereinsstädte der Ortenau und das Reichstal Harmersbach, in: Handbuch der baden-württembergischen Geschichte, Bd. 2: Die Territorien im Alten Reich, hrsg. von Meinrad Schaab und Hansmartin Schwarzmaier in Verbindung mit Dieter Mertens und Volker Press (†), Stuttgart 1995, S. 747–751, bes. S. 750.»
  2. Disch 1937, S. 197f.; Petri 22022, S. 80.»
  3. Hermann Meyer, Die schweizerische Sitte der Fenster- und Wappenschenkung vom XV. bis XVII. Jahrhundert, Frauenfeld 1884; Barbara Giesicke / Mylène Ruoss, In Honor of Friendship: Function, Meaning, and Iconography in Civic Stained-Glass Donations in Switzerland and Southern Germany, in: Barbara Butts / Lee Hendrix, Painting on Light. Drawings and Stained Glass in the Age of Dürer and Holbein, Ausst.-Kat. Los Angeles/St. Louis 2000/01, Los Angeles 2000, S. 43–55; Rolf Hasler, Glasmalerei im Kanton Aargau. Kirchen und Rathäuser (Corpus Vitrearum Schweiz, Reihe Neuzeit 3), [Aarau] 2002, S. 5–15.»
  4. Honickel 1974, S. 174f. (ohne Nachweis).»
  5. W. A[loys] Schreiber, Führer für Reisende durch das Großherzogthum Baden, Carlsruhe u. Baden 1828, S. 320; Wilhelm Lotz, Kunst-Topographie Deutschlands. Ein Haus- und Reise-Handbuch für Künstler, Gelehrte und Freunde unserer alten Kunst, Bd. 2: Süddeutschland, Cassel 1863, S. 600.»
  6. G[ustav] Kachel und Marc Rosenberg, Katalog der Badischen Kunst- & Kunstgewerbe-Ausstellung […]. Abtheilung II: Ausstellung von kunstgewerblichen Erzeugnissen der Vergangenheit, Karlsruhe 1881, S. 171f., Nr. 1770.»
  7. Disch 1937, S. 198; Petri 22022, S. 80f.»
  8. Erwähnt bei Honickel 1974, S. 174.»
  9. Eberhard/Möhrle/Williger 2024.»
  10. Eberhardt/Möhrle/Williger 2024, S. 191, 193.»
  11. Strasbourg, Musée de l’Œuvre Notre-Dame, Inv. Nr. MAD LVII 40; Hans Haug, Le Roi du Chœur, in: Bulletin del la Société des Amis de la Cathédrale 2. Série 7, 1960, S. 97–102.»
  12. Sollte das „H“ eine Signatur sein, ließe sich an den zwischen 1533 und 1550 in Straßburg nachweisbaren, wegen eines Ehehandels mit dem Priester Veit Storck zeitweise aus der Stadt verbannten, nach Fürsprache zahlreicher Adeliger aber wieder begnadigten, „seit Jahren ausgewiesenen Glasmaler“ Kaspar Huckart denken. Zu Huckart s. Ad. Seyboth, Verzeichniss der Künstler, welche in Urkunden des Strassburger Stadtarchivs vom 13.–18. Jahrhundert erwähnt werden, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 15, 1892, S. 37–42, hier S. 40, und Hans Rott, Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im XV. und XVI. Jahrhundert. III. Der Oberrhein. Quellen I (Baden, Pfalz, Elsaß), Stuttgart 1936, S. 247, 282.»
  13. Eberhardt/Möhrle/Williger 2024, S. 193. Zu Riecker, der auch anderweitig in der Ortenau tätig war (Haslach, Schloss), s. Hans Rott, Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im XV. und XVI. Jahrhundert. I. Bodenseegebiet. Quellen, Stuttgart 1933, bes. S. 158.»
  14. Zur Lingg-Werkstatt in Straßburg s. Ariane Mensger, Die Werkstatt von Bartholomäus und Lorenz Lingg: Neue Erkenntnisse zur Glasmalerei in Straßburg um 1600, in: Cahiers alsaciens d’archéologie, d’art et d’histoire 53, 2010, S. 109–122; dies., Die Scheibenrisse der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, 2 Bde., Köln/Weimar/Wien 2012, S. 138–141, 214–216. Für den anregenden Gedankenaustausch in dieser Frage sei Rolf Hasler, Ostermundingen, und Ariane Mensger, Basel, herzlich gedankt!»